5. Internationales Frauenfilmfestival 1995
Chronik Skandalös- Filmemachen ist ein Zusammenspiel von Vielen. Alle Beteiligten bringen ihr spezifisches Wissen, ihre eigene Sichtweise und Auffassung von dem mit, was es gilt in Bilder, Töne, Kostüme, Kulissen, Sprache umzusetzen. Das ergibt am Ende den Film, den wir schätzen oder ablehnen. "Der Film ist zuende - wir gucken den Abspann" war unsere erste programmatische Ankündigung des 1995er Festivals und in der Tat haben wir uns den Bereichen zugewandt, die sowohl von den ZuschauerInnen, wie z.T. von der Fachpresse nur am Rande wahrgenommen werden. Kein frauenspezifisches Problem, aber wieder einmal sind Frauen von dieser Nichtwahrnehmung stärker betroffen als Männer. Daran hat sich nichts geändert, wir müssen dies nach wie vor konstatieren wie bereits 1987 beim ersten Festival von femme totale. Eine Chronik der Bilder, der Leidenschaft, des tollkühnen Mutes und der Skandale zeichnet dieses erste Jahrhundert des Kinos aus. Einiges davon haben wir auf dem Festival gezeigt: die andere Chronik der verschwiegenen, unentdeckten Künstlerinnen sowie der gelebten und erfundenen Skandale ganz unterschiedlicher Frauen. Wo immer in diesem Jahr der 100. Geburtstag des Kinos gefeiert wurde, es waren die mehr oder weniger bekannten Namen, denen wir begegneten. Auch auf diesem Festival waren "große" Namen zu finden. Häufig wurden sie jedoch nicht als solche erkannt und etliche Male wurde nach einem erklärenden Satz, wer diese Person sei, gesagt: "Ach, so. Ja, dann...". Denn wer kennt hier die Filmemacherin Matilde Landeta? Wem sagt heute der Name Natacha Rambova etwas? Wer weiß, wieviele Filmkomponistinnen es gibt, und wer kennt sie namentlich? Wer traut Frauen zu, daß sie Western drehen können und wer glaubt, daß sie auch zurückschlagen? Der überwiegende Teil der Filmschaffenden aus Lateinamerika, Indien oder anderen Ländern der sogenannten Dritten Welt ist uns in Mitteleuropa unbekannt. Unter verschiedenen Aspekten haben wir die historischen und aktuellen Filmproduktionen betrachtet. Gebaute Illusionen: Filmarchitektur und Set-Design: Kaum ein anderer Zweig des Filmschaffens setzt eine so perfekte Illusionsmaschinerie in Gang wie der der Ausstattung. Was wir im Film sehen, Natur, Gebäude, Straßen oder Inneneinrichtung ist häufig eine Kopie realer Bauten: gemalt, den Originalen nachempfunden, aufgebaut und inszeniert in riesigen Filmstudios. Wir wagten mit diesem Festival einen Zipfel dieses 'Zaubertuches' lüften und einen Blick hinter die Kulissen. Anders das Kostüm-Design: Hier liegt es auf der Hand, daß Kostüme immer etwas mit verkleiden zu tun haben. Die Personen, die sie tragen, schlüpfen in eine andere Haut, sie spielen eine Rolle. Die ganze Bandbreite der "Verkleidungs-Kunst" wurde durch die Präsentation von Kostümen, aus historischen wie aktuellen Filmproduktionen dargestellt. Dazu gab es Workshops, und Kostümbildnerinnen berichteten von ihrer Arbeit. Filmmusik ist nicht nur eine Unterlegung von Filmbildern mit Musik. Sie bestimmt ganz wesentlich die Atmosphäre des Films und einzelner Szenen, da sie sehr stark das Unterbewußtsein der ZuschauerInnen anspricht. Hierzulande ist der Beruf 'FilmkomponistIn' nahezu unbekannt. Die Suche war dementsprechend beschwerlich. Herausgekommen ist dennoch ein breites Spektrum von Musikerinnen, die sich dem Film verschrieben haben, und die wir auf dem Festival vorstellten. Lichtsetzung, Perspektiven, Bildausschnitte, halbnahe Einstellungen und Totale, sie bestimmen die rhythmische Kraft des Filmes. Aus der Reihe der anerkannten Kamerafrauen wie Gisela Tuchtenhagen, Elfie Mikesch, Sophie Maintigneux oder anderen, haben wir uns entschieden, ein junges Talent in den Mittelpunkt unseres Programms "Abenteuer Kamera" zu stellen, die in den letzten Jahren in der Fachwelt Aufsehen erregt hat: Jolanta Dylewska aus Polen. Nicht nur die unterschiedlichen Teammitglieder eines Films kamen zu Wort, auch die Bildsprache spielte eine Rolle. Neben den realen Frauen aus Fleisch und Blut mit der Kamera oder dem Taktstock in der Hand standen in unserem Programm die Frauen aus Zelluloid, die Kultfiguren der Leinwand - und dies nicht nur mit Blick auf das Mainstream-Kino: Keine Kinogeschichte, keine Filmchronik ohne die Biester: die außergewöhnlichen, rachgierigen und mordlüsternen Frauen, die zickigen Diven und Sternchen mit Starallüren. Jedes Genre kennt sie und die Filmgeschichte erst recht. Kenneth Anger verlieh den gesammelten Zensurfällen, dramatischen Skandalen und Kapriolen der Stars den programmatischen Titel "Hollywood Babylon". Daß dieses Kino mit seinen bösen Weibern á la Bette Davis, seinen scharfzüngigen Glamourstars wie Mae West und seinen tragischen Figuren wie Frances Farmer auch auf das independant cinema seinen Einfluß gehabt und seine Faszination ausgeübt hat, macht nicht nur das Beispiel des Kultfilmers Anger deutlich. Anläßlich der Chronik Skandalös ließ femme totale in einer speziellen Filmreihe die schillernden und zweideutigen Figuren Revue passieren, in denen sich 'das große Kino' einen Rest Subversivität bewahrt hat und die vielen kleinen, subkulturellen, experimentellen Festivals all over the world bevölkern: Westernheldinnen (wir zeigten den ersten von einer Frau gedrehten Western der Filmgeschichte), Rebellinnen, widerspenstige Schauspielerinnen, Halbwelt-Diven, Banditinnen, Vampirinnen und vieles mehr. Dabei war unser Ziel, nicht nur den neugierigen Blick auf diese skandalösen Frauen zu lenken, sondern ihn auch immer wieder zu brechen. So präsentierten wir - wo irgend möglich - zwei Filme zum Thema, die sich gegenseitig kritisch beleuchten und eine Festlegung unmöglich machen. Die dokumentarische Perspektive destruiert z.B. den Heroismus der Guerillera im Spielfilm, ohne daß die Figur dadurch ihren Glanz und ihre Anziehungskraft verliert.
Und damit unser Blick hinter die Kulissen des etwas anderen Kinos nicht auf Hollywood und
Europa beschränkt blieb, zeigten wir als Sonderprogramm unter dem Titel Zwischen
Welten Filmbeispiele unbequemer und exzentrischer Frauen aus Asien und Lateinamerika.
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Die Schwerpunkte des Filmprogramms:
Ein Blick hinter die Kulissen Wenn Frauen den Ton angeben: Filmmusik Gebaute Illusionen: Filmausstattung und Set-Design Abenteuer Kamera: Die Kamerafrau Jolanta Dylewska Historische Filmmatinée: SALOMÉ
Kultfiguren der Leinwand - nicht nur in Hollywood Viva la Diva! Stars und exzentrische Künstlerinnen Rebellinnen. Zwei Sichtweisen auf außergewöhnliche Frauen Von Bonanza zu den Badgirls. Frauen im Western Shocking Pink! Bausteine einer Geschichte des 'lesbischen Kinos'
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Die Leinwand als Laufsteg - Kostümdesign Kino ist ein Eldorado der Kostümierung, hier entfaltet die Mode ihr erzählerisches Talent. Die Leinwand wird zum Laufsteg. Wir zeigten die historische Partnerwechselkomödie WHY CHANGE YOUR WIFE (1920) als deutsche Erstaufführung. Die Kostümentwürfe dieser Produktion, die ganz unter dem Zeichen Sex, Sets and Costumes steht, stammen von Clare West und Natacha Rambova. Aktuelle Arbeiten von zwei weiteren Kostüm-Designerinnen warfen weitere Schlaglichter auf das Thema: von der tschechischen Kostüm- und Set-Designerin, Drehbuchautorin und Regisseurin Ester Krumbachov und der englischen Kostüm-Designerin Shirley Russell.
Filme:
Der Mord am Ingenieur Teufel
Die Teufel
Salomé
Valentino
Why change Your Wife
Ballad of little Jo
Darüber spricht man nicht
Florence Foster Jenkins
Gespräch mit dem Mann im Schrank
Hochzeitsgäste
Olivia
Wenn es Nacht wird
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Wenn Frauen den Ton angeben: Filmmusik Musik verleiht dem Film eine weitere Dimension. In einzelnen Szenen kann sie das ausdrücken, was der Film impliziert, aber nicht zeigen kann: die Stimmungen, Gefühle und Gedanken der dargestellten Figuren, aber auch Gerüche oder Schwankungen der Temperatur. Denn Filmmusik spricht die Zuschauer auf einer Ebene an, die in der Regel nicht bewußt wahrgenommen wird. In unserem Programmschwerpunkt stellten wir einerseits Frauen vor, die sich mit der Vertonung anspruchsvoller Spielfilme (bspw: HERBSTZEITLOSE, Regie: Beeban Kidron, Musik: Rachel Portmann) einen Namen gemacht haben, und andererseits Musikerinnen, die für eine experimentell-elektronische Musikbearbeitung stehen.
Filme:
Herbstzeitlose
Die Höhenflüge des Wladimir Tatlin
Miracle - Ein geheimnisvoller Sommer
Ein Tag länger als die Nacht
Florence Foster Jenkins
Geliebte Mörderin
Gespräch mit dem Mann im Schrank
Perception/Tension
Superhero
Tausend Küsse an Wanda
Two Queens Meeting
Weil das Auge Ohren fiel |
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Gebaute Illusionen: Filmausstattung und Set-Design Filmkunst ist Bildkunst. Dekoration und Ausstattung nimmt gerade im Film eine Schlüsselstellung ein. Visuelle Ideen illustrieren eine Geschichte nicht bloß, sondern erzählen eigene Geschichten. Auf dem Festival wurden herausragende Arbeiten früher Filmpionierinnen, die in Deutschland bisher wenig beachtet wurden, vorgestellt. Eine Ausgrabung besonderer Art ist die Kostüm- und Set-Designerin, Drehbuchautorin, Tänzerin, Schauspielerin und namhafte Ägyptologin Natacha Rambova. Von der tschechischen Kostüm- und Set Designerin, Drehbuchautorin und Regisseurin Ester Krumbachov liefen die Arbeiten VRAZDA ING CERTA, CSSR 1970 (Regie: Ester Krumbachov) und SEDMIKRASKY, CSSR 1966 (Regie: Vera Chytilov) begleiten.
Filme:
Camille
Der Mord am Ingenieur Teufel
Salomé
Tausendschönchen / Sedmikrasky
Alma Punk
Ballad of little Jo
Battement
Daphne
Florence Foster Jenkins | ||
Abenteuer Kamera: Die Kamerafrau Jolanta Dylewska "Kameramann" gilt immer noch als Männerberuf, in dem Frauen es schwer haben, Anerkennung zu finden.Das belegt die zahlenmäßige Unterrepräsentanz von Frauen in diesem Beruf. Aus der Reihe international anerkannter Kamerafrauen fiel unsere Wahl auf Jolanta Dylewska, eine in Lodz lebende und arbeitende Kamerafrau, deren Filme wir in diesem Programm ausführlich vorstellten.
Filme:
Hochzeitsgäste
Maries Lied
Alma Punk
Anna und Edith
Daphne
Dream Girls
Geliebte Mörderin
Guerillas in Our Midst
Die Höhenflüge des Wladimir Tatlin
Phoolan Devi - Rebellion einer Banditin
SOS Extraterrestria
Tausend Küsse an Wanda
Weil das Auge Ohren fiel
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Historische Filmmatinée: SALOMÉ Die historische Filmmatinée wartete mit exzentrischen Frauenfiguren auf. Dies betraf sowohl die Kostüm- und Set-Designerin Natacha Rambova, die hier ins Rampenlicht gerückt wurde, als auch die Filmfigur Salomé.
Filme:
Salomé |
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Banditinnen: Der Fall Phoolan Devi Der 'Fall Phoolan Devi' gehörte zu jenen Nachrichten, die weit über Indien hinaus auch in Mitteleuropa Furore machten. Zwei Filme eröffneten einen differenzierten Blick auf das Leben und die Person Phoolan Devis. Der Spielfilm BANDIT QUEEN und der Dokumentarfilm PHOOLAN DEVI nähern sich dieser politisch aktuellen wie auch legendären Frau mit vollkommen unterschiedlichen Mitteln.
Filme:
Phoolan Devi - Rebellion einer Banditin |
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Viva la Diva! Stars und exzentrische Künstlerinnen Wer oder was ist eine Diva? Die Stummfilmzeit kannte eine gutes Dutzend, und auch in den 30er und 40er Jahren fällt das Aufzählen von Namen nicht schwer: Louise Brooks, Greta Garbo, Marlene Dietrich... Diva, das ist Glamour, Gerüchte und große Garderobe, Affären (am liebsten wie z.B. die Garbo mit Männern und mit Frauen) und ein Stück Geheimnis. Was aber ist heutzutage eine Diva? Gibt es sie noch oder ist dieser Typus von Starkult und Inszenierung ausgestorben? Wir verfolgten diese charismatischen Künstlerinnen in Dokumentationen und Spielfilmen, die beide Aspekte verdeutlichen: die Vereinnahmung durch Markt und Medien, das Starsystem und seine Zumutungen, und das Widerständige.
Filme:
Frances
Dream Girls
Kloss im Hals / Nodo alla Gola
Prix de Beauté - Miss Europe
Sandra Bernhard - Confessions of a Pretty Lady
Two Queens Meeting
Battement
Ella Cinders
Elles
Girls Night Out
Ein Konglomerat
Mensahib Rita
Salomé
Salomé
Die Teufel
SOS Extraterrestra
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Rebellinnen: Zwei Sichtweisen auf außergewöhnliche Frauen Rebellinnen, Guerilleras, Terroristinnen - sie sind die Extreme auf der Skala schrecklicher, bedrohlicher und exzentrischer Weiblichkeit.
Wir stellten zwei Entwürfe von Rebellinnen vor, die In DIE SCHWARZE ANGUSTIAS präsentierte sich ein Melodram aus den späten vierziger Jahre, das von einer Pionierin des lateinamerikanischen Kinos, der in Mexiko lebenden Matilde Landeta, stammt. MARIA'S STORY hingegen zeigt den unheroischen Alltag einer Rebellin in El Salvador rund 40 Jahre später in dokumentarischer Perspektive.
Filme:
Maria's Story |
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Von Bonanza zu den Bad Girls: Frauen im Western Der Western mit seinen nach Pferd und Leder riechenden Helden gilt als das männlichste aller Genres. Der Programmteil "Frauen im Western" stellte nicht nur den ersten von einer Frau verfaßten Westernfilm vor (FORTY-NINE-SEVENTEEN), sondern mit THE BALLAD OF LITTLE JO eine Heldin, die zwar nicht die Berühmtheit einer legendären Gestalt wie Calamity Jane erreichte, aber wie diese gleichfalls auf authentische Vorbilder verweisen kann.
Filme:
The Ballad of Little Jo
Bullchix
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Shocking Pink! Bausteine einer Geschichte des 'lesbischen Kinos' In den Kämpfen der lesbischen Kultur findet sich in radikaler Weise - wie in kaum einem anderen Bereich sonst - die Suche nach Existenzmöglichkeiten jenseits gängiger Normen: Das Bedürfnis, nach eigenen und neuen Ideentitätsformen und -formeln zu suchen, bringt auch die Notwendigkeit mit sich, sich immer wieder neu mit kulturellen Mustern, mit Möglichkeiten der Identitätsfindung und der gesellschaftlichen Grenzüberschreitung zu beschäftigen. Filme und Videos spielen dabei eine wichtige Rolle.
Filme:
Anna und Elisabeth
Anna und Edith
Olivia
Blut an den Lippen
Das Leben ist eine Frau (Schizn-Schenschtschina)
Wenn es Nacht wird
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